Tunis, was jetzt?

Dass ich in einem wirklich fremden Land bin und nicht irgendwo in Europa, erkenne ich daran, dass die Leute mich komisch angucken. Wenn man mit Kübra in Deutschland unterwegs ist, wird sie angeguckt – weil sie ein Kopftuch trägt. In Tunis hingegen ist ein Kopftuch nichts Besonderes. Rote Haare aber offenbar schon.

Vieles ist anders in Tunis. Auch die Probleme, die Blogger dort haben. Zwar ärgern sie sich genau wie wir über unfreundliche Kommentare oder den überlasteten Server von Twitter, aber es gibt noch dringendere Sorgen: Wie schütze ich mich vor Hacking-Angriffen? Ist meine Anonymität gesichert? Kann ich diesen Artikel veröffentlichen, ohne mit einer Strafe rechnen zu müssen?

Die Forderung nach einer „Bloggers Charter“, einer Art Pressekodex für Blogger, hätte ich vor einer Woche noch als naiv und unnötig abgetan. In Tunis hingegen entwickelte sich daraus eine ernsthafte Diskussion. Ein solcher Kodex könnte zum Beispiel regeln, wie Meldungen verifiziert werden. Während der Revolution waren die vielen Gerüchte, die durch die sozialen Netzwerke geisterten, ein großes Problem. Sie konnten oft stunden- oder tagelang nicht bestätigt werden und lösten dadurch Verwirrung und Ärger aus.

Am Ende waren wir uns aber doch einig, dass ein Regelwerk nicht der richtige Weg sein kann. Es würde die Kreativität und Unabhängigkeit der Blogger einschränken und wäre eine zusätzliche Hürde für Neueinsteiger. Tatsächlich reguliert sich die Blogosphäre ja bereits von selbst, es gibt gewisse ungeschriebene Gesetze. Und die, die doch aufgeschrieben werden müssen – zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäußerung – sollten nicht nur für Blogger, sondern für alle Bürger gelten.

Die tunesische Bloggerszene wandelt sich. Das große Ziel, der Sturz Ben Alis, für den alle gemeinsam gekämpft haben, ist erreicht. Was kommt jetzt? Während die einen schon neue Ziele propagieren, zweifeln die anderen noch am Erfolg der Revolution („Is it really a progress or will we experience the same, just with new names, new keys?“). Wieder andere kehren in ihren Blogs zurück zum Alltag. Statt Politik schreiben sie nun wieder über Persönliches. Die Szene fragmentiert sich und läuft Gefahr, den Einfluss wieder zu verlieren, den sie gerade erst errungen hat.

Das Original auf dem Hurra!-Blog von Eva Schulz

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